Redebeiträge

Wir haben Redebeiträge für Demonstrationen, Kundgebungenoder andere öffentliche Veranstaltungen gehalten. Hier kannst du sie nochmal nachlesen.

Redebeitrag zur Bewegung Leipzig 30.05.2020

Ich bin Teil des Lixer e.V. in Kleinzschocher. Bei uns handelt es sich um einen Verein, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Menschen im Viertel zusammen zu bringen und solidarische Strukturen zu schaffen. Wir schaffen einen öffentlichen Ort in Form eines Demokratieladens in Kleinzschocher. Ein Ort für Alle.

Was heißt aber „für alle“?

Auch die Bewegung Leipzig geht gerade „für uns alle“ auf die Straße. Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied: Unser Handeln basiert auf demokratischen Grundsätzen. Wir agieren antidiskriminierend und antirassistisch, schaffen uns kein Feindbild, sondern versuchen die Sache praktisch anzugehen. Verschwörungsmythen, Rassismus, Homophobie und Diskriminierung haben bei uns keinen Platz. Wir distanzieren uns davon und grenzen uns klar von rechten und faschistischen Gedankenspielen ab.

Auch wir als Verein haben die Auswirkungen der Corona-Pandemie zu spüren bekommen: es konnten keine persönlichen Treffen stattfinden und wir mussten unsere Stadtteilarbeit teilweise einstellen. Auch wenn das öffentliche Leben langsam wieder hochfährt, sind Ungewissheit und Vorsicht groß und die Umsetzung unserer Projektideen oder Veranstaltungsplänen für 2020 steht in den Sternen.Es hätte aber alles auch viel schlimmer kommen können – vergessen wir z.B. nicht Italien,wo bisher über 30.000 Menschen gestorben sind. Oder die USA mit über 100.000 Toten und einem sehr instabilen Gesundheits- und Sozialsystem.

Die Krise wird weltweit vor allem die Menschen treffen, die schon zuvor in prekären Berufen beschäftigt waren: ironischer Weise werden viele von ihnen jetzt als systemrelevant eingestuft: Supermarktangestellte, Pflegekräfte, Mitarbeiter*innen von großen Versandunternehmer. Alles Jobs, die unterbezahlt sind und nun unter noch schwierigeren und teilweise gesundheitsgefährdenden Rahmenbedingungen als zuvor durchgeführt werden müssen. Die Ärmeren in der Bevölkerung, die aufgrund von Kurzarbeit oder Jobverlust ihre Miete nicht einfach weiter zahlen können. Die Solo-Selbständigen im Kunst- und Kulturbereich, die alle Ihre Aufträge verlieren und damit ihre Lebensgrundlage. Frauen, die neben ihren oft nun systemrelevanten Berufen die Betreuung in der Familie übernehmen mussten. Einfache Angestellte in Großunternehmen und Menschen, die in Massen-Unterkünften leben, denen Infektion-Schutzmaßnahmen verwehrt bleiben.

Momentan ist aber eine Gruppe von Menschen besonders laut: Sie behaupten für Freiheit und die Wahrung der Grundrechte auf die Straße zu gehen, aber in Wirklichkeit geht es ihnen um die Freiheit, sich auf Basis von

  • falschen Fakten,
  • einem fragwürdigen Gesellschaftsverständnis und
  • haarsträubenden Ideen aus dem Internet eine Meinung zu bilden und damit ernst genommen und Teil des politischen Diskurs zu werden.Mutmaßungen über ein geheimes Ränkespiel im Hintergrund und bösartigen Verschwörer*innen schaffen keine
  • besseren Arbeitsbedingungen,
  • keinen Schutz der individuellen Unversehrtheit oder
  • den Schutz von Risikogruppen.

Im Umgang mir der Pandemie setzen WIR daher auf eine solidarische Politik und die Regulation des freien Marktes. Wir unterstützen deshalb zum Beispiel

  • die Forderung nach Grundeinkommen,
  • dezentrale Unterbringung von geflüchteten Menschen oder
  • die Aufwertung systemrelevanter Berufe und eine bessere gewerkschaftliche Vertretung derselben. Es darf nicht mehr passieren, dass die Preise für medizinisch notwendiges Material wie Schutzkleidung, Atemschutzmasken oder Desinfektionsmittel durch die Decke gehen, wenn sie zum Schutz von Menschenleben bitter notwendig sind.

Es darf nicht mehr passieren, dass die Mitarbeiter*innen von Amazon zu 100ten in die Werkshallen geschickt werden, während anderswo Kontaktverbote gelten. Die körperliche Unversehrtheit des Menschen muss mehr Gewicht haben als die Klagen großer Unternehmen. Niemand hat etwas gegen Yoga oder Meditation, aber eine klare Abgrenzung von rassistischen, antisemitischen und menschenverachtenden Weltbildern sollte selbstverständlich sein. Schwurbler*innen sehen das nicht als selbstverständlich und grenzen sich unter einem Deckmantel von falsch verstandener Meinungsfreiheit nicht ab. So finden wir keinen solidarischen Umgang miteinander, vor allem nicht in den nun zu erwartenden wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemiekrise. Deshalb stehen wir heute hier und sprechen uns gegen die Ideen und Lösungsansätze aus, die auf der Seite der Bewegung Leipzig vertreten werden. Dagegen sollte man sich immer und jederzeit positionieren. Das haben viele Leipziger*innen letzte Woche getan, gestern und heute. Und wir werden es weiter tun Redebeitrag Kundgebung Stötterit 24.05.2021

Stimmen, die sich für Ungleichheit und Spaltung aussprechen, werden in Stötteritz immer lauter und durchsetzungsfähiger. Zschocher, der Kiez in dem ich lebe, steht dem wohl in nicht viel nach. Ein Problem mit rechter Raumnahme in Form von rechten Fußballhools und Kampfsportlern oder organisierten Neofaschisten, die zumindest im Viertel wohnen, gibt es auch vor meiner Haustür.

Zschocher ist ein Viertel südlich vom Szenekiez Plagwitz, wobei eine Straße – um genau zu sein, die Antonienstraße am Adler – eine ideologische Grenze zwischen linker und rechter Hegemonie zuziehen scheint. Überschreitet man diese, finden sich rechte Aufkleber, Hakenkreuzschmierereien, Spätis und andere Geschäfte von offensichtlich rechten Betreiber*innen mit faschistischem Stammpublikum, sowie besoffene Nazis die im öffentlichen Raum rum hängen wieder. Manchmal laufen auch Gruppen durch die Gegend, die rechte Parolen grölen, um ihre toxische Männlichkeit zu zelebrieren. Anders denkende und solche, die nicht in ihr Bild vom strammen Deutschen passen, haben ihrer Ansicht nach in Zschocher nix verloren. Antisemitismus, NS-Verherrlichung, Hetze gegen Geflüchtete, sowie die patriotische Vorstellung der deutschen Heimat gehen in Zschocher, sowie auch in Stötteritz Hand in Hand.In Zschocher war es noch vor einigen Jahren an der Tagesordnung, dass die rechte Propaganda in Form von Stickern und Schmierereien teilweise wochen- oder sogar monatelang im Viertel hängen geblieben sind. Dieser Zustand hat sich dank der Selbstorganisation von Leuten im Viertel, die das nicht mehr mit ansehen wollten, ein wenig entspannt. Die Nazipropaganda wird nun selbstorganisiert entfernt, das Stadtbild verstärkt mit linken, anarchistischen und antifaschistischen Botschaften gestaltet.

Wenn klare Bekenntnisse zum Faschismus und Nationalsozialismus keinen Aufschrei und keine Gegenwehr verursachen, ist der Weg zu Übergriffen auf Andersdenkende nicht mehr weit. Es ist an uns allen, dieser Scheiße etwas entgegen zu setzen!Faschistische Tendenzen werden anschlussfähiger, wenn die gesamtgesellschaftliche Situation unsicherer und prekärer wird. Gerade jetzt, wo die Krisenhaftigkeit des Systems durch die Pandemie sogar noch offensichtlicher zum Vorschein kommt als in der Finanzkrise vor über 10 Jahren, ist es wichtiger denn je kollektive Strukturen zu schaffen, die Alternativen aufzeigen.

Es gibt verschiedene Wege mit rechten und faschistischen Strukturen umzugehen.Wir als Lixer e.V. haben uns für den für den Versuch entschieden, nicht nur primär auf den Mist von Rechts zu reagieren, sondern einen positiven Bezugsrahmen im Viertel zu schaffen und mit denMenschen, die in Zschocher leben, gemeinsam eine Perspektive zu entwickeln. In den nächsten Monaten wollen wir einen Stadtteilladen eröffnen, der ein Treffpunkt im Viertel sein soll. Wir wollen eine solidarische Nachbar*innenschaft aufbauen, in der sich die Menschen kennen, schätzen und unterstützen. So wollen wir Isolation und Vereinsamung entgegen wirken – Phänomene, die es nicht erst seit dem pandemischen Ausnahmezustand gibt, sondern die aus der kapitalistischen Wirtschaftsordnung resultieren.Seit einigen Jahren veranstalten wir Konzerte und Infoveranstaltungen in einem Park in Zschocher. Wir versuchen die wenigen Vereine und Initiativen, die es hier gibt bei der Vernetzung zu unterstützen. Im Laden wollen wir Bildungsangebote schaffen, welche die Menschen dort abholen, wo sie gerade stehen. Darüber hinaus wird es eine Bürokratiesprechstunde geben, die Orientierung im Umgang mit Behörden bietet. Außerdem wird regelmäßig eine Jugendredaktion stattfinden, bei der Kinder und Jugendliche dabei begleitet werden, eigene Schreibprojekte im Bezug auf ihr Leben oder ihre Perspektive auf Zschocher zu realisieren.Unsere Stadtteilarbeit schafft Raum für Bildung, Kultur und Austausch sowie die Möglichkeit, Diversität zu leben. Wir wollen damit den menschenverachtenden und ausschließenden Narrativen eine gemeinwohlorientierte und solidarische Alternative entgegen setzen.

In Zeiten wie diesen, in denen autoritäre Tendenzen weiter Einzug in die sogenannte Mitte der Gesellschaft finden und sich die Grenze des Sag- und Denkbaren gefühlt Tag für Tag weiter nach rechts verschiebt, ist es sicherlich eine Gradwanderung, einen Stadtteilladen in einem Viertel wie Zschocher zu eröffnen. Gerade wenn dieser den Anspruch hat, offen für alle zu sein. Alle? – damit sind natürlich alle Personen gemeint, die sich klar von rassistischen, antisemitischen und menschenverachtenden Weltbildern abgrenzen. Doch wann wird sich konsequent abgegrenzt und wann ist eine Person, die vielleicht vorher noch nie mit emanzipatorischen Ideen in Berührung gekommen ist, nicht mehr tragbar? Wann ist der Punkt erreicht, dass Menschen aus einem gemeinschaftlichen Raum ausgeschlossen werden müssen? Wo macht es noch Sinn das Gespräch zu suchen? Wo sind die eigenen Positionen und wann gehen diese verloren? Alles Fragen, die wir uns als junges Ladenprojekt früher oder später sicherlich stellen müssen.

Wir sind der Meinung, dass es wichtig ist, den Versuch zu wagen aus der Szenedeckung heraus zu kommen, dabei aber trotzdem konsequent antifaschistisch zu bleiben. Der Weg den wir gehen wollen, ist sicher nicht der einfachste.

Nichtsdestotrotz ist er es wert gegangen zu werden. Es ist unser Weg, faschistischen und neonazistischen Tendenzen etwas entgegen setzen, mit dem Ziel einen breit angelegten gesellschaftlichen Wandel voran zu treiben.

Wir sind alle Antifa!